S-charl

Eine der wohl bedeutendsten Silber und Bleiabbaustellen liegt tief in verborgenen Engadiner Seitentäler. Die holprige Fahrt von Scuol her kommend erinnert an Kanadisches Hochland. Ich bin in dieser Sache nicht gänzlich unbelastet war ich doch in jungen Jahren,  1978, nicht besonders beliebter Schüler des Berginternats Avrona. Damals beeindruckte mich der Blick hinab ins Clamgia-Tal zutiefst. Trotzdem schaffte ichs, im damaligen Jahr, nie bis S-charl geschweige den, trotz vorhandenem Interesse, in die Stollen. Viele Jahre später, genannte 45, ists so weit. Ein umfangreiches Wissen zum dortigem Bergbau ist nun mein Eigen. Folglich, wie üblich bei meinen Ergüssen, fett aus dem Nähkästchen heraus geplaudert.

Val da Poch

Oberes Val da Poch, rechst im Bild der Mot Madlain-Hang wo einst bis zu 15 Stollenmünder ein Bleiglanzflöz auffuhren.

Abstrakt

Die Bergbaulandschaft um S-charl ist einzigartig in deren Vielfalt. Verschiedene Betriebsepochen reihen sich aneinander und manche Stollenwerke sind noch heute intakt gebliebene Zeugen mittelalterlicher Bergbaukunst. Trotz verschiedener Epochen, hineinreichend ins frühe 19. Jahrhundert, finden sich allerlei Artefakte des mittelalterlichen Betriebs.

Werkzeug Hacke im Stollen Mot Madlain

Der Bergbau war stark geprägt vom Tiroler-Handwerkskunst.  Besitzverhältnisse schwanken zwischen Abteien, Tirioler Mineninvestoren, Adelsfamilien „Von Salis“ und „Plantas“, Industriepionier Johannnes Hirz bis hin zu einer Belgischen Bergbaugesellschaft ums 1855.

Teilweise reichten die Besitztümer ansässiger Investoren weit übers Engadin heraus. Ein reger Austausch zwischen den zahlreichen Bergwerken herrschte. Wanderarbeiter zirkulierten in den Jahren der Vorindustrialisierung, 1300 bis 1600, zwischen den Zentren „Schwaz“, „S-charl“, „Bormio“ und weitere bedeutende Montanindustrie-Zentren.

In der Umgebung um S-charl sind nachweislich ab den Jahren 1300 zahlreiche Blei und Silbervorkommen aufgefahren worden. Etliche dieser Stollen sind jedoch bis zum heutigem Tage längst in die Vergessenheit abgetaucht.

Bergwerke S-charl

Bergwerke / Reviere die in näherer Umgebung, zwischen den Jahren 1300 bis 1900, mit teils längeren Unterbrüchen, betrieben wurden (grosse PDF-Karte, Bild anklicken)

Martin Schreiber beschrieb in seinem Buch „Der Historische Bergbau bei S-charl im Unterengadin“ ausgiebig Minen und Anlagen im historischen Kontext. Insbesondere die detaillierte Archivarbeit verdient meinerseits eine besondere Würdigung.

Ich will mich eher dem Untergrund zuwenden und der Wertvollen Recherchenarbeit von Martin Schreiber keineswegs in Konkurrenz stehen.

Die Minenübersicht

Übersicht Minen S-charl

Die beiden, heute zugänglichen, Hauptminenzonen Cougn Nair und Ober Madlain als rudimentäre Grubenpläne mit unterlegter Karte (grosse PDF-Karte, Bild anklicken).

Das Bergwerk  Cougn Nair, westlich gelegen, besteht im wesentlichen aus zwei Hauptsohlen die ca. in 20 Meter Höhenunterschied auseinanderliegen und per Schacht miteinander verbunden sind. Die zwei aktuell fahrbaren Mundlöcher liegen offen am Felsband.

Mundlöcher Bergwerk Cuogn Nair

Offene Mundlöcher des Bergwerk Cougn Nair.

Das dritte bekannte Cougn Nair  Mundloch ist, vermutet aus der Betriebsepoche Johannes Hirz, heute über eine Länge von 10 m verstürzt.

Die Minen „Mot Madlain“ sind, über die Jahre hinweg, einzelne zusammengewachsene Bergwerke mit aktuell einer Gesamtstollenlänge von 12 Kilometer. Westlich liegen neuere Gruben aus der Epoche Johannes Hirz 1820 bis 1830. Östlich finden sich ältere Untertagebauten datierend bis ins 14. Jahrhundert zurück. Von den rund 12 Sollenmündern am Ober Madlain sind heute noch zwei offen. Trotz eingestürzter Stolleneingängen sind weitläufige alte Bergwerksteile noch über die unterirdischen Abbauten erreichbar.

Das Bleiglanzband besitzt Flözcharakter und sinkt sanft gegen Berginneres, Südost, bis 20 Meter in die Tiefe was damals wie heute zu grossen Wasserhaltungsproblemen führte. Gegenwärtig sind die tiefer gelegenen Stollen teils abgesoffen.

Der frühe Bergbau

Erstmalig werden  1317 Bergwerke bei S-charl urkundlich erwähnt. Da der Ort S-charl bereits um 1096 als Alp S-charl, in Schenkungsdokumenten vorkommt, könnten bereits zu jener Zeit oder früher erste Prospektionen stattgefunden haben. So genau weiss dies niemand. Gemäss Archivaufzeichnungen ist das Jahr 1317, im Zusammenhang mit Bergbau, überliefert.

Alte Grube am Mot Madlain

Wahrscheinlich folgten mutige Männer dem Erzausbiss am Südufer des Val da Poch und am Nordfelsbändchen des Cuogn Nair. In beiden Bergwerken finden sich alte minim weiter bearbeitete Stollenwerke. Alte Stollen die, im Gegensatz zu Valdera, tendenziell Profilhöhen über 80cm kaum überschreiten. Praktisch der gesamte Abbau geschah in liegender Stellung. Die Förderung erfolgte über niedrige, mit Laufbrettern ausgestattete, Förderstrecken.

Über zwei Jahrhunderte wuchsen die Stollen, mit vermutet eher kleinerer Belegschaft, zu beträchtlicher Länge an.

Über die Mine am Cuogn Nair ist heute sehr wenig bekannt. Die Tatsache dass heute kaum noch Laufbretter in den Stollen zu finden sind lässt auf eine frühe Aufgabe der Anlage schliessen. Holzwerk war teuer. Robuste Laufbretter ins benachbarte Ober-Madlain Bergwerk schleppen, lohnte. Johannes Hirz liess, wahrscheinlich, Jahrzehnte wenn nicht gar Jahrhunderte nach Stollenaufgabe, das Bergwerk Cuogn Nair wieder Aufwältigen. Ein grösserer Abbau erfolgte unter Hirz auf Cuogn Nair, im Jahre 1830, nicht. Die Epoche Hirz konzentrierte die Tätigkeit aufs westliche Mot Madlain-Bergwerk.

Stollen Cougn Nair

Cuogn Nair Stollen mit noch verbleibenden gebogenen Laufbrettern in Seitenabzweigung führend. Die Stollenhöhe im Cuogn Nair-Bergwerk ist selten über 80cm was für ältere Abbauepochen, zu Zeiten als die Handwerkskraft sehr billig war, spricht.  

Blütezeit 1520 bis 1617

Mächtige kapitalkräftige Investoren bestimmten, in dieser Zeitepoche, den Bergwerksbetrieb. Erfahrene Bergleute aus den Gruben um Schwaz bauten die lokal verstreuten kleinen Gruben zu effizienten Betrieben um. Zentrale, niedere Förderstrecken, sollen die Logistik rationalisieren.  Eine erste Schmelzanlage Ausgangs Dorf S-charl ist in dieser Epoche bekannt. Die Schmelze nutzt das Wasser der Clemgia zum Betrieb der Blasbalge.

In dieser Zeitepoche wird von grossen Gewinnen aus der Blei und Silberproduktion berichtet. Ob solch optimistische Berichterstattung zur Anlockung Kapitalstarker Investoren diente, entzieht sich meiner Kenntnis. Klar ist, die Bergwerksbetriebe funktionierten in den gut dokumentierten Jahren unter Hirz nie gewinnbringend.  

Zurück in längst vergangene Tage.

Der Abt von Marienberg ist zwischen 1542 und 1560 Betreiber der Bergwerke S-charl. Am Mot Madlain wird das Entwässerungssystem mit Hauptbau dem Erbstollen endlich vollendet. Die Vortriebsarbeiten zum Erbstollen starteten um 1508 und sollten, bei 460 Meter Stollenlänge und zwei Schächten, 25 Meter und 7 Meter, bis 1562 andauern. Das Untertagewerk dieser Entwässerungsinfrastruktur verschlag Unsummen aus Kloster- und Investorengelder ohne nennenswerte Entdeckung profitabler Bodenschätze doch die Wasserhaltung machte die Erzförderung zunehmend zum Problem. Etwas weniges Eisenerz, was zur Werkzeugherstellung genutzt wurde, konnten die Bergleute, dem rund 20 Meter tiefer liegendem Erbstollen entlocken ansonsten blieb das Bauwerk eine sehr kostspielige Angelegenheit.

Die heute noch erkennbaren Installationen, die möglicherweise im Zusammenhang mit dem Erbstollenbau angelegt wurden, sind Überbleibsel des immensen Aufwands.

Erbstollen Mot Madlain

Bis heute ist der verschüttete Stollenmund des Erbstollens nie eindeutig aufgespürt worden. Alle Indizien wie auch umfangreiche Grabungen führten uns in eine mächtige Felsspalte. Die Position passt zu der Erbstollenabschlussmessung auf dem Grubenplan vom Oktober 2007.

In der Region um das mögliche Mundloch finden sich einige interessante Überbleibsel früherer Tätigkeit. So liegt am Südufer des Val da Poch ein mächtiger Kohlehorizont offen.

Eisenschlacke Val da Poch

Zwischendurch findet mal, bei genauerem Hinsehen, etwas Eisenschlacke verstreut. Es ist, wie ich bereits erwähnte, plausibel dass zu Zeiten des Erbstollenbaus bescheidene Mengen Eisenerz, zur Fertigung des Bergbau-Werkzeugs,  gefördert wurden. Im Untertagebereich Erbstollen gibt’s Abbau-Stellen mit Eisenerz. In einer Seitenabzweigung des Erbstollens fand Martin Schreiber den einzigen Grubenhund der Anlage.

Um den vermuteten Erbstollenaustritt sind weitere Bauten auszumachen die heute Nachweislich zu der Erbstollenbaustelle passen.

Durch ein Felsspickel führt ein Tunnel welcher genau der Höhe des Erbstollenaustritts entspricht. Der Tunnel liegt an einer schwer zu erreichenden Stelle am Nordsteilhang des Val da Pochs. In diesem Steilhang sind noch eingelassene Balkenlager erhalten. Diese Balkenlager stammen von damaligen Hochbauwerken womöglich Arbeiterunterkünfte oder Werkzeugmagazine. Der Tunnel verbindet die Bauten mit einer zerklüfteten Felslandschaft. Diese Felslandschaft, so glaube ich, verfügte zur Zeitepoche des Erbstollenbaus, über ein Gerüstsystem welches an das Erbstollenmundloch anschloss.

Felsspickel mit Tunnel im Val da Poch

Durch die mächtige Felsnase führt ein Tunnel auf Höhe Mundloch Erbstollen. Ich behaupte gegenwärtig dass ein Gerüst den Tunnel mit dem Erbstollenmund verband. Heute sind keine Spuren des Gerüsts erhalten. Der Tunnel führt folglich in die vertikal abstürzende Felswand.

Val da Poch Erbstollenaustritt

Auf der orangen Fläche nördlich sind Gebäudereste (Balkenlager) wie auch der Merkwürdige Tunnel zu finden. Südlich davor der Erbstollenaustritt, der Kohlehorizont, Eisenerzverhütungsplatz und mögliche vermutete Installationsflächen.  Zwischendrin eine übermächtige Felsspalte, die, wie ich glaube, mit Holzgerüste überbrückt war.

Da dies Thema mich intensiver beschäftigte und ich dem Erbstollenaustritt ein eigener Bericht widmete sei, an dieser Stelle, auf besagter Bericht mit Namen  erbstollen_V1.pdf verwiesen.

Die Untertage-Förderarbeiten wachsen, in jener Zeitepoche, mächtig an. Etliche Hauptförderstrecken werden in den Fels getrieben.

Kleine Grube Mot Madlain

Noch ist Kinderarbeit gang und gäbe, die Stollenhöhen gering und die unqualifizierte Arbeitskraft billig. Zur Überwindung der Höhenunterschiede mit beladenen Grubenhunden (bis 300 Kg schwer) werden Steigbäume parallel zu den Laufbrettern montiert. Im Bild die kleine Grube Mot Madlain auf ca 80 cm hohen Hauptförderstrecke.

Mot Madlain Barbarastollen

Da das Flöz gegen Berginnern absinkt müssen immer wieder Höhenunterschiede überwunden werden. Teils werden Erzkübel oder Hunde mittels Haspelaufzüge die Gesenke hinaufgezogen. Im oberem Bild, Haspelgestell in Feld Barbarastollen.

Haupttraversale Feld Barbarastollen

Zur Effizienzsteigerung verbinden Traversalstrecken die verschiedenen Gruben untertage miteinander. Im Bild, Feld Barbarastollen zu Feld Nord / Ferner Osten.

Letzte Bergbauperiode 1811 bis 1830

Diese Bergbauepoche unter Johannes Hirz und Betriebsleiter Landthaler ist, dank vieler noch vorhandener Bauten, heute sehr präsent.  Johannes Hirz Betreiber des Silberbergs bei Davos Monstein erwirbt die Betriebsbewilligung um 1811 zur Ausbeutung der Gruben um S-charl. Die alten Schmelzen sind bis dato 1811 alle längst verfallen und so initiiert Johannes Hirz den Bau einer neuen wuchtigen Erzverarbeitungsanlage mit Waschtischen, Poche, Treibherd, Schachtofen und Flammofen.

Schmelza S-charl

Schmelzwerk S-charl Epoche Johannes Hirz / Bild Heinrich Keller. Rechts im Vordergrund das Poch und Waschgebäude dahinter das Ofengebäude und links im Bild Verwalterbau. Man beachte den damalig lichten Waldbestand. Ein Hauptproblem damaliger Schmelztechnik bestand im immensen Holzverbrauch.

Zum Neubau der Schmelze lässt Hirz das alte Knappenhaus in Dorfmitte um eine Etage aufstocken und modernisieren. Auch aus der Hirz-Epoche stammt das kleine, heute zerfallene Wohnhaus am Unter Madlain.

Knappenhaus S-charl

Parallel zu den Neu- und Erweiterungsbauten im und um den Ort S-charl werden alte Stollen aufgewältigt und die Halden gründlich nach Erzen abgesucht. Bald jedoch ergeben sich neue Probleme die den Erztransport betreffen. Das Material ist schwer und die Hauptminen liegen in weiter Distanz zu den Schmelzanlagen.

Johannes Hirz muss nochmals kräftig Geld auftreiben zum Bau einer, mit Ochsenkarren befahrbaren Strasse zu den Gruben am Mot Madlain. Im Jahre 1825 ist auch dies aufwendige Bauvorhaben vollständig abgeschlossen und alle neu aufgeschlossenen Abbauten per Zweiergespann erreichbar. Indes stehen nun, mit Vollendung dieser Fahrstrasse immense Wartungsarbeiten an, die bis zu 5 Arbeiter täglich beschäftigen.

Gruben Mot Madlain

Unter Hirz entsteht eine heute noch erhaltene, einzigartige Bergbaulandschaft. Diverse alte Gruben sind bis 1825 aufgewältigt und weitere Untersuchungen auf Blei und Silbergehalt werden veranlasst (grosse PDF-Karte, Bild anklicken). Das Fahrstrassennetz macht den Erztransport mittels Ochsengespann möglich, die Schmelzen sind genügend Leistungsfähig um neue Erzvorkommen in Blei und Silber zu verwandeln.

Am Ober-Madlain öffnet Landtaler eine alte Grube die bald auf ein reiches Erzvorkommen stösst. In der Folge entstehen einige umfangreiche Installationen auf dem Revier der neu geschaffenen Johannes Zech.

Johannes Zech

Eine Verlandeanlage mit Klaubgebäude wird am Stollenmund gebaut. Die ergiebige Grube wird nach dem Besitzer Johannes Hirz „Johannes Zech“ getauft. Im Bild die Überbleibsel der Erzkästen.

Johannes Zech

Die Hauptförderstrecken werden unter Hirz / Landtaler auf Transporteffiziente Grössen (1.8m) ausgeweitet und die Laufbretter erneuert.

Johannes Zech

Weichen werden eingebaut und die Höhendifferenzen möglichst nivelliert. Die Johannes Zech läutet eine neue Ära des Bergbaus auf S-charl ein. Die Zeitepoche der Industrialisierung beginnt in S-charl früh.

Effizienz ist alles, die transportierten Materialmengen werden um ein vielfaches erhöht.

Johannes Zech

Das ergiebige Erzlager wird für kurze Zeit den Grubenbetrieb hohe Renditen bescheren doch die Freude ist von kurzer Dauer. Der Bergwerksbetrieb generierte, in der Zeitepoche unter Hirz / Landthaler nie nachhaltige Gewinne.

Trotzdem lies Betriebsleiter Landthaler, in der Erzreichen Johanneszech eine Halle von rund von 15 Metern Höhe ausbrechen. Dieser mächtige Hohlraum ist heute unter dem Namen „Dom“ bekannt.

Die Erze jedoch waren zeitweilig von minderer Qualität was den Schmelzprozess erschwerte.

Das Ende, der Zerfall

Trotz reicher Erzlager in der Johannes Zech klagte die ständig Schmelze über mindere Qualität des  Roherzes. Die Trennung des Nebengesteins gestaltete sich schwieriger als angenommen. Die spezifischen Gewichte der Mineralien und des Nebengesteins waren kaum unterschiedlich. Eine maschinelle Erzwäsche funktionierte nur beschränkt. Im Ofen verunreinigte das Nebenmaterial Schmelzkammer wie Endprodukt. Die Intensivierung der Handklauberei bringt auch kaum den gewünschten Fortschritt. Zwar werden einige Versuche unternommen um den Schmelzprozess zu optimieren der  Extraktionsaufwand bleibt nach wie vor hoch.

Zeitgleich schwinden die Erzvorkommen in der Johannes Zech. Das reiche Lager ist allmählich abgebaut. Die Gelder sind aufgebraucht und neue Investoren finden sich keine. Der Betrieb ruht im 1829 und Johannes Hirz meldet Konkurs an.

Einige kurze Versuche nach 1855 die Bergwerke wieder zu beleben beschränken sich aufs Hochschleppen von Bauholz oder aufs Analysieren gesammelter Gesteinsproben. Eine belgische Bergbaugesellschaft erwirb eine Konzession die jedoch nie zu einer Bergbautätigkeit führt.

Einige Fachexperten bescheinigen den Gruben um S-charl erfolgversprechende Vorkommen. Es bleibt dabei, eine weitere Blei und Silberproduktion wird in S-charl nie wieder reaktiviert.

Ein Brand zerstörte die Schmelzanlage kurz nach Aufgabe massiv. Das Strohgedeckte Dach stürzte ins Gebäudeinnere womit der Zerfall nicht mehr aufzuhalten war.

Ein Französischer Bergwerks-Forscher besucht die Installationen gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Dieser Forscher verfasste ein Bericht im welchem er der Führung Hirz / Landthaler schwere Versäumnisse vorwarf. Das Extraktionsverfahren wie auch die Transportlogistik kritisierte der, in privater Mission verkehrende, Forscher.

Schmelze S-charl

1936 werden vom Ravitschana-Hang Mittelformatbilder der näheren Gegend abgelichtet. Deutlich zu erkennen auf eines dieser Bilder die zerfallene Industrieanlage mit, ganz links, der Bergwerksschmiede. Unterhalb der Schmiede, auf gegenüberliegender Strassenseite, eines der Kalköfen zur Herstellung des Mörtels. Nachfolgend etwa mittig im Bild das Ofengebäude mit emporwachsender Tanne im Gebäudezentrum. Rechts oben das Poch, und Waschhaus. Unten rechts die Bergwerksverwaltung.

Das Dorf S-charl, angenommen im gleichen Jahr, beherbergte nur wenige Einwohner. Die letzten Bewohner aus Bergbauzeit sind längst weitergezogen.

S-charl 1936

Das alte Knappenhaus wird kurze Zeit als Zollstation genutzt dahinter, an Stelle des länglichen Stallgebäudes, stand vermutlich die allererste erwähnte Schmelze aus Mittelalterzeit.

Revival

Die letzte Bergbauperiode, die nicht des Rohstoffes willen imitiert wird, beginnt im Jahre 1987 mit der Gründung der Stiftung“ Fundaziun Schmelzra S-charl“. Es entstand ein Interesse die Artefakte aus jener Industrieepoche zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Martin Schreiber beginnt mit der Erforschung zugänglicher Stollen.

Museum S-charl

Zeitgleich wird das alte Verwaltungsgebäude wieder aufgebaut und als Museum ausgebaut.

Stollen Mot Madlain

Bild 1992 Jacques Berthet / Bild 2021 Luisa

Obermadlain, im 1992 sind einige alte Stollen, die heute komplett verfallen sind, noch halbwegs bekreichbar.

11 Jahre später im 1998 konstituiert sich der Verein Miniers da S-charl“ mit Ziel die Anlagen zu erforschen und zu dokumentieren.

In den Jahren 2003 bis 2007 werden die Bergwerke Cuogn Nair und Obermadlain vermessen. Es entsteht, unter der Leitung von Thomas Arbenz SGH, ein umfangreiches Planwerk.

Aktuell (2023) am Ober-Madlain sind der Johannesstollen und der Barbarastollen fahrbar. Am Cuogn Nair sind die zwei in die Felswand geschlagenen Stollenmünder offen und am Untermadlain ist noch der obere Stollen der Untermadlain-Gruppe, heute als Wasserreservoir fürs Dorf genutzt, mit Schlüssel zugänglich.

Schmelze

Die Bergwerksanlagen, insbesondere der Industriekomplex aus der Hirz-Epoche, waren in jüngster Zeit immer wieder Gegenstand diverser archäologischer Untersuchungen. Das Ex-Verwaltungsgebäude ist heute Bären und Bergbaumuseum und in den Stollen finden hin und wieder Führungen statt. Der Kalkofen neben dem Verwaltungsbau, heutiges Museum, wird regelmässig für den Kalkbrand angefeuert https://kalkwerk.ch/ . Das Dorf S-charl baute ab den 1980er eine umfangreiche sanfte Tourismusinfrastruktur auf.

Resüme

Dem Mot Madlain  wird noch heute ein relativ hoher Silber und Bleigehalt zugeschrieben. Die Mengen, die aufwendige  Abbautechnik und die Transportprobleme stehen indes  in keinem Verhältnis zu einem möglichen konkurrenzfähigem Ertrag. Die Schweiz pflegte nie eine breite Bergbaukultur, Hirz klagte über das fehlende lokale Fachwissen. Personal reiste weit, zu Zeiten Hirz aus dem Tirol. Im aufkommenden 19. Jahrhundert schienen viele Ortsgemeinden mit all den Bergbau-Investoren sichtlich überfordert zu sein. Der Bergbau verstand lokal kaum jemand was all die zahlreich gescheiterten Wünschelruten-Projekte erklärt. Das erste Schweizer Polytechnikum entstand im Jahre 1855 (heute ETH Zürich) und Bergbau interessierte kaum. Die Hochschulkultur eines Freibergs erreichten die hiesigen Bildungsanstalten nie.

Johannes Hirz versuchte, nach Konkurs in der Schweiz, sein Glück in Amerika. Es gelang ihm, als erfolgreicher US Minenunternehmer und Wegbereiter der Zink-Extraktion, alle angehäuften Schweizer Schulden abzuzahlen.

Noch heute fristet die Schweiz ein provinzielles Dasein weg grosser Errungenschaften. All die Zahlreichen Bergwerkchen aus vergangener Tage sind gut gehütete Geheimnisse eigenbrötlerischer Forscher.

So soll auch diese Bergwerksanlage letztlich Teil einer wieder endenden Zeitepoche werden.

Und wenn sie nicht gestorben sind, so graben sie noch heute.

Quellen

Texte,

Martin Schreiber Der Historische Bergbau bei S-charl im Unterengadin

MINARIA HELVETICA 15b/1995

Bilder,

Terrestrische Landschaftsbilder 1936 Swisstopo

Mundloch 1992 Jacques Berthet

Texte von Luisa zu S-charl

im Blog

13.9.2023 S-charl und noch mehr Sehenswürdigkeiten

11.6.2023 S-charl, der Weg ist das Ziel

18.7.2021 S-charl, weitere Ansichten

17.8.2020 S-charl und weitere Sehenswürdigkeiten

1.8.2020 S-charl

PDF Bericht Erbstollen erbstollen_V1.pdf