HG-Dampfgleichrichter

Vorgeschichte

Da bin ich neulich, tief im Untergrund, die Welt darf nicht wissen wo, über eine mächtige Stahlbüchse gestolpert. Als erfahrene, elektrotechnisch bewanderte Person wusste ich ad hock was dies futuristische Teil darstellen sollte und auch deren gewollte Funktion war mir klar. Und doch, so richtig wissen wie solch Tonne Wirkung tue und insbesondere was für Zugemüse noch von Nöten wäre, war mir irgendwie nicht so Hundertpro klar. 

Das Ding, es handelt  sich um einen, etwas brachial anmutenden, Quecksilberdampfgleichrichter, landete in meiner Fotosammlung.

Quecksilberdampfgleichrichter Siemens-Schuckert 825 KW
Quecksilberdampfgleichrichter Siemens-Schuckert 825 KW

Irrtümlich wollte ich mir damals, bei genauerer Ablichtung des Leistungsschildes,  eine latente Übelkeit diagnostizieren bis ich erkannte dass dies Quecksilberdampfgleichrichterchen, frei schwebend, am Kettenzug hing. Obschon das Gerät schwerste Materialien in sich vereinigt und ich, nebenstehend,  in der Grösse einer ausgewachsenen Schlumpfine erscheinte, bewegte sich die Büchse, wie von Geisterhand getrieben, im Zentimeterbereich, hin und her. Der genaue Blick aufs Leistungsschild trieb meine Übelkeit zunehmend durch alle Körperfunktionen.  Doch inzwischen ist ein halbes Jahr verstrichen, mein Geburtstag naht, und ich wollte nun genaueres erfahren zu diesem Ungetüm.

Leider ist die goldene Zeit dieser Quecksilberdampfanwendung, seit aufkommen kräftiger Leistungshalbleiter, definitiv Geschichte und es gibt’s nur noch mehrheitlich Nostalgiker, wie ich,  oder alte Bücher die über solch Relikte erzählen.

Auf dieser Seite, will ich nun mich diesem Gerät, respektive mit, einer breiten Palette Quecksilberdampfgleichrichter annehmen. Wie üblich bei meinen Ergüssen, vieles basierend auf selbst gemachte Entdeckungen. Ich selbst bin leider nicht im Besitze eines solchen Gerätes noch hätte ich die Zeit um mich mit deren komplexen Beschaltung zu beschäftigen. Aber, da ich selber gerne was über die Geräte erkunden möchte und möglicherweise weitere Zeitgenossen und Genossinnen Näheres zu solch alter Technik erfahren möchten, gibt’s hier mein Text.

Quecksilberdampfgleichrichter so funktionierts

In einem Hochvakuum-Gefäss aus Glas oder sonstwie Wärmeresistentem Material sind Elektroden aus Unterschiedlichen Materialien angebracht. Die Katode besteht aus einem Quecksilbersee welcher auf dem Gefässboden liegt. Bei Temperaturen um einige Tausend Grad ist das verdampfte Quecksilber, im Gegensatz zu den Grafitanoden, in der Lage reichlich Elektronen abzugeben.  Folglich fliesst ein Elektronenfluss von Quecksilberkatode zu Grafitanode in einer Richtung. Das Quecksilber indes muss erstmals zum sieden gebracht werden was so ab 357 Grad Celsius geschieht. Zu diesem Zweck gibt’s im Quecksilberdampfgleichrichter einige Zusatzelemente die den nötigen Dampf und genügend Hitze erzeugen um deren Funktion zu gewährleisten.

An dieser Stelle verweise gerne auf das unten stehende, von mir gezeichnete und bald von irgendwelchen suspekten Russenseiten geklaute, Prinzip-Schema.  Meine Zeichnung ist drastisch vereinfacht und solle, der Übersichtlichkeit halber, nur die wichtigsten Elemente zeigen.

Quecksilberdampfgleichrichter
Quecksilberdampfgleichrichter Prinzipschema

Links im Bild sitzt der eigentliche Gleichrichter, rechts im Bild, eine ebenso wichtige Komponente, der Transformator, bei meinem Beispiel sekundär ein Doppelstern, primär Dreieck beschaltet.

Leistungsschild Quecksilberdampfgleichrichter
Leistungsschild Quecksilberdampfgleichrichter

Mein Beispiel bezieht sich hauptsächlich auf die gefundene Büchse. Volt und Amperewerte sind vom Leistungsschild entnommen.

Nun gut, Funktion Teil II,

Wir wissen, Elektronen fliessen von Quecksilbersee, der Kathode, zu denn Anoden. Damit dieser Prozess läuft muss gehörig Quecksilberdampf im Hochvakuum-Gefäss vorhanden sein dies wiederum erfordert Temperatur.  Diese Temperatur machen vorwiegend Zündanode, während des Startvorgangs, und die Hilfsanoden während des Normalbetriebs.  Die Hilfsanoden sind im Kessel etwas tiefer angeordnet so dass, mit deutlich kleinerer Spannung, ein Lichtbogen über den Quecksilbersee züngelt und diesen konstant dampfen lässt. Der Quecksilberdampf kondensiert im oberen Teil des Kessels und landet wieder im See. Bei Betrieb und Stromfluss zwischen Kathode und Anoden, respektive zwischen Hilfsanoden und Kathode pendelt sich die Wechselwirkung zwischen Verdampfen und Kondensieren allmählich ein so dass im Kessel die benötigte Konstantmenge Quecksilberdampf aufliegt. Eine Hauptschwierigkeit hierbei liegt darin immer ein minimaler Stromfluss aufrecht zu erhalten den bei Stromabbruch müsste der Gleichrichter neu gezündet werden. Da die Wechselspannung zwangsläufig irgendwann einen Nulldurchgang absolviert, würde der Stromflussprozess anreisen und der Gleichrichter erlöschen.  Um diesen Prozess zu unterbinden sind einige Drosselspulen, die im Hilfsanodenkreis eingebaut sind, notwendig um einerseits, eine kleine Phasenverschiebung zu generieren und anderseits in den Hilfsbetrieben, Stromberenzend wirken. Mit dieser Beschaltung kann der Nulldurchgang des Wechselstroms ausgetrickst werden.

Gleichrichterschaltung mit reichlich Zugemüse
Ältere Gleichrichterschaltung mit reichlich Zugemüse aus „Die neuzeitliche Elektrotechnik“ von „Curt Hanfland“ 1928, gestrotzt von http://www.hts-homepage.de

Während die Hilfsbetreibe Einphasig aufgebaut sind, wird der Hauptstrom gerne Mehrphasig  ausgelegt denn je mehr Strom-Phasen Zeitversetzt übers Quecksilberdampfbad wandern desto glatter wird der Gleichstrom.  

Grosses Kino solle die ganze Zündprozedur sein. Grundsätzlich steht die Büchse ob Glas oder Stahl kalt im Raum. Das Quecksilber muss erstmals Dampfen um den Gleichrichtungsprozess anzuleiern.  Der Zündkreiss sorgt für die nötige Temperatur und den anfänglich benötigen Dampf. Die Zündanode berührt im Ruhezustand den Quecksilbersee. Bei Aktivierung des Startvorgangs wird erstmals die Zündanode unter Strom gesetzt, in Serie liegt die Drosselspule die den Hilfs-Strom, Kurzschluss im Quecksilbersee, auf erträgliches begrenzt. Nun entsteht etwas Hitze und die Zündanode wird mit Hilfe eines Elektromagnetes aus den See gehoben, ein Lichtbogen entsteht und noch mehr Hitze ist die Folge.  Jetzt sind die anderen, meist 2, Hilfsanoden gefragt, die den Lichtbogen übernehmen. Sobald die nötige Quecksilberdampfdosis steht, arbeiten die Hauptanoden im Hauptstromkreis. Der Zündkreis wird abgeschaltet und nur noch Hilfsanoden wie Hauptanoden sind aktiv.

Da der Lichtbogen eine gewaltige Hitze erzeugt, muss sowohl das Gleichrichtende Glasgebilde wie auch die Metalltonne gekühlt werden.  Bei der Glaskracke bläst ein Ventilator von Unten das Gerät an. Im oberen Glasgewölbe kondensiert das Quecksilber welches wieder in den Kathodensee hinunterfliesst.  Die grosse Metalltonne, wie sie mir neulich begegnete, wird mittels Wasser, welches bekanntlich im Bergbau reichlich vorhanden ist,  auf erträgliche Temperatur gehalten. Auch bei dieser Spezies kondensiert das Quecksilber, oberhalb der Anoden, in der oberen Gefässwölbung.

Die bunte Welt blau leuchtender Tiefseekracken

Bei der Entwicklung einer wechselstromfähigen Quecksilberdampflampe entdeckte Peter Cooper Hewitt den Gleichrichtereffekt des im Glaskolben stehenden Quecksilberdampfes. Im Jahre 1902 erfolgte die Patentanmeldung für den ersten Quecksilberdampfgleichrichter.  Die ersten Quecksilberdampfgleichrichter waren aus Glas und ähnelten einer blau leuchtenden Kracke.

6 Anoden-Quecksilberdampfgleichrichter  Fabrikat AEG
6 Hauptanoden-Quecksilberdampfgleichrichter Fabrikat AEG

6 Haupt-Anoden-Quecksilberdampfgleichrichter ohne Hauptstrombeschaltung der ersten Stunde, AEG Baujahr 1928. Dieses Gerät steht im Museum für Energiegeschichte und war bis 1978 in der Gleichrichter-Station Eibsee der Zugspitzbahn in Betrieb (Bild Wikipedia Quecksilberdampfgleichrichter).

Solche Quecksilberdampfgleichrichter waren meist in Quadratischen Schaltschränken eingebaut in denen von unten her ein Ventilator an die Glaskracke kühlte.

3 Anoden-Quecksilberdampfgleichrichter
3 Hauptanoden-Quecksilberdampfgleichrichter mit Gittersteuerung

Im Bild solch ein Exemplar, mit 3 Anoden und 3 Steuergitter zur Regelung des Laststroms, eingebaut im Schaltkasten (Bild Wikipedia Quecksilberdampfgleichrichter).  Dieser Gleichrichter war als Batterieladeeinheit im Einsatz. Im Bild unten zu erkennen der Ventilator welcher das Glasgefäss kühlt. Auch deutlich sichtbar, der Elektromagnet ausserhalb des unteren rechten Glasarmes angebracht, zum heben der Zündelektrode.  

Grosse Büchsen für viele Käfer

Quecksilberdampfgleichrichter eigenen sich für grosse Ströme und eben so hohe Spannungen doch die Leistungstolleranz der Glaskracken blieb irgend einst an Grenzen hängen. Baldig entwickelte die Industrie grosse Gebilde in massiven Eisenbüchsen. Doch nicht alles was Glänzt macht auch richtig viel Gleichstrom, eines der Hauptprobleme lang in der Aufrechthaltung des Hochvakuums. Die grossen Stahlgefässe mit etlichen Öffnungen für alle Anoden erwiesen sich lange als undichte Siebe. Die ersten Quecksilberdampfgleichrichter im Stahlgefäss für Ströme gegen die 1000 Ampere mussten mittels Hochvakuumpumpe periodisch wieder leergesagt werden.

12 Anoden-Quecksilberdampfgleichrichter
12 Hauptanoden-Quecksilberdampfgleichrichter

Das hier geschnittene Browm Boveri Exemplar verfügt über eine Rundumwasserkühlung und Wasserluftgekühlte Leistungsanoden.  Dies Ungetüm leistet bis zu 4000 KW a 600 VDC. Der Browm Boveri Gleichrichter benötigt die Vakuumpumpe  zur Aufrechterhaltung des  Hochvakuums diese wird am Ventil (V) zuoberst am Topf angeflanscht. In der Schnittzeichnung deutlich mittig wiedergegeben, die Zündanode welche mittels Elektromagnet (B) zur Lichtbogenerzeugung, hochgezogen wird. Der Gehäuseblock, als Pluspol amtend, ist zum Boden hin, mittels Isolatoren (O)  Potentialgetrennt. Gleich wie bei den Glaskracken kondensiert das Quecksilber in der Obersten Gefässerhöhung.

Siemens-Schuckert Quecksilberdampfgleichrichter
Siemens-Schuckert Quecksilberdampfgleichrichter

Mein Baby kommt aus der Siemens-Schuckert-Schmiede und könnte mehr oder weniger der oberen Schnittzeichnung ähneln. Mein Model indes dürfte deutlich neueren Datums, um die 1960er, sein. Beide Schnittzeichnungen stammen aus der Quecksilberdampfgleichrichterbibel „Mercury ARC Power Rectifiers Theory and Practice“ von „Othmar K. Marti“ und „Harold Winograd“. Dies Werk ist 1930 entstanden und als PDF abrufbar unter anderem auf http://www.tubebooks.org/Books/mapr.pdf. Im Gegensatz zum Vormodels sind beim Siemens-Schuckert-Gerät mir nicht alle Komponenten erschlossen. Nichts desto trotz, um die Funktion meines Gleichrichters zu begreifen hätt ich diesen wohl auseinandernehmen müssen

Die Anwendung tief im Luxemburgischem

Die gleichrichtende, quecksilberbedampfte Tonne ist mir in tiefen Luxemburgischer Eisenerzer begegnet. Ein schier unendlich scheinendes Gewirr aus zusammengewachsenen Eisenerzrevieren mit Namen „Minette“ verbirgt ausser 4000 Stollenkilometer noch weitere schwer zu findende Sehenswürdigkeiten. Eben, unter anderem das zuoberst abgebildete Gleichrichtergerät aus Siemens- Schuckert Schmiede.

Elektrolager Minette
Elektrolager Minette

Irgendwo in einer grösseren Elektrozentralle, (Pumpenraum, Gleichrichterraum, Lager)  hängt dieser Quecksilberdampfgleichrichter frei schwebend am Kettenzug. Im Elektro-Lager stehen noch heute etliche Artefakte jener grossen Bergbauzeit herum. Ob die zwei, bildmittig erkennbaren, Transformatoren zu der Gleichrichteranlage gehören, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Sekundärwicklung müsste Minimum 7 Anschlussklemmen aufweisen, so genau hab ich dies damals nicht weiter verfolgt. Leistungschilder wiederum sind leider äusserst begehrte Sammlertrophäen im Kreise militanter Urbanexplorer und, Fakt ist, im Elektromagazin wird eindeutig erkennbar rege Raubbau betrieben.

Trotz geklauten Leistungstafeln und ausgeschlachteter Klemmenbretter gabs einige Gleichstrom-Anwendungshinweise in der ausgedehnten Untertageanlagen.

Trennschalter

Soweit ich beobachten konnte, waren sämtliche Grubenbahnen weitläufig elektrifiziert. Auch die einschlägigen Publikationen zu den Gruben, etwa www.industrie.lu/langengrund.html, zeigen Elektrisch betriebene Fahrleitungs-Lokomotiven, diese eher grösseren Kalibers.

Fest steht, lange und neuere Streckenabschnitte in der Minette waren auf höhere Spannungen, ab 1000 Volt, wahrscheinlich AC, ausgelegt. Die noch erhaltenen Streckentrenner, rechts im Bild, mit eher grossen Isolatoren, deuten auf diese höhere Spannungen hin. Auch sonstig finden sich immer wieder Reste von Mittelspannungsfahrleitungen,  mit eher grösseren Isolatoren, in den Stollen.

Doch hin und wieder hängen  in steileren Stollenabschnitten interessante Überreste einer kräftigen Fahrleitung. Die Annahme wonach spezielle Lokomotiven, in steilen Abschnitten vielleicht gar mit Zahnradunterstützung, Schwerstarbeit leisteten, liegt nahe.

DC Hochstromfahrleitung
DC Hochstromfahrleitung

Im Bild eine Fahrstromschiene die einen grösseren Strom tragen könnte. Alles deutet aufs Gegenende des DC Ausgangs, den Kathoden-Quecksilber-See-Anschluss, meines Gleichrichters hin.  Wahrscheinlich war der Gleichrichter zur Speisung ausgesuchter Fahrleitungen im Einsatz.

Stufenschalter

Abgesehen von den üblichen Drehstromgerätschaften die Frau in solch Elektrozentralle richtig wiedererkennt, stehen etliche Exoten Elektromechanischer Wandlung herum.

Einige grössere Motoren sind mit Polwender ausgestatten wahrscheinlich für den DC-Betrieb gedacht gewesen. Ob diese in einer Lock Platz fanden ist indes, aus meinem bescheidenen Wissen heraus zu urteilen, eher unwahrscheinlich. Sicher ist, im besagten Lager steht auch Einiges an Rollmaterial-Bestandteilen. So auch verschiedene Stufenschalter die einst zur Fahrleistungsregulierung der Lokomotiven dienten. Wahrscheinlich auch Geräte aus den Stromintensiven DC-Strecken.

Stand dieser Seite 20.8.2019

Quellen:

Bilder Glasquecksilberdampfgleichrichter Wikipedia Quecksilberdampfgleichrichter

Schema ältere Gleichrichterschaltung www.hts-homepage.de

Schnittzeichnungen aus „Mercury ARC Power Rectifiers Theory and Practice“ von „Othmar K. Marti“ und „Harold Winograd“ www.tubebooks.org/Books/mapr.pdf

Links:

Forumsdiskussion im Dampfradioforum Siemens VSM 412

Zu Mine Laangegronn – Langengrund www.industrie.lu/langengrund.html aus www.industrie.lu